Naturverbunden Abschied nehmen
Viele Möglichkeiten stehen den Besucherinnen und Besuchern offen: Einige begehen Geburts- oder Feiertage mit einem Glas Sekt am Baum. (Fotot: FriedWald GmbH)
Bremen. Die Sonne scheint durch die Baumkronen, Vögel zwitschern, die Bäume leuchten in unterschiedlichen Grüntönen – so erscheint der FriedWald Hasbruch im Frühling. In diesem Jahr ist dessen Gründung 20 Jahre her, damit ist er der zweitälteste Standort in Niedersachsen. Der Eröffnungsbaum – ein Spitzahorn – wächst seitdem direkt an einem See. „Eins von vielen Highlights hier“, sagt der Regionalleiter Alexander von Heimendahl. „Die Bäume um den See waren zudem sehr begehrt, sodass hier in diesem Bereich kaum noch etwas frei ist.“
Auch in den anderen Abschnitten des rund 48 Hektar umfassenden FriedWald-Standorts ist die Nachfrage groß. 30 Hektar sind bereits als Bestattungsfläche erschlossen, stetig wird diese erweitert. „Der Wald ist schließlich da und wir sind zukunftsorientiert“, sagt die FriedWald-Försterin Maren Mikosch.
Durch ein interessantes Zusammenspiel aus alten Eichen- und Buchenbeständen sowie noch zierlichen Jungbäumen erwarten Besucherinnen und Besucher im FriedWald Hasbruch abwechslungsreiche Waldbilder. Auch Kirschen blühen hier im Frühling. Ein Bachlauf und ein weiterer See machen diesen Wald zu einem ganz besonderen Ort. Überall laden Bänke zum Verweilen ein oder um eine Pause auf dem Weg zum Baum einzulegen.
„Der Wald spendet Trost und eine angenehme Atmosphäre. Gleichzeitig möchten wir den Menschen den Zugang zur Grabstätte ermöglichen“, sagt von Heimendahl. „Die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine große Herausforderung. Deshalb gibt es zu jedem Waldführungstermin einen kostenlosen Shuttle vom Bahnhof Hude zum FriedWald Hasbruch. So kommen auch Leute ohne eigenes Auto zum FriedWald.“
„Im Wald angekommen dienen vier Holzskulpturen – Eule, Nadelbaum, Pilz und Eichhörnchen –als markante Wegweiser“, sagt Mikosch. Ansonsten sei neben der analogen Waldkarte auch online eine Baumsuche möglich. So lasse sich der Weg zum Baum finden, erklärt von Heimendahl. Viele Besucherinnen und Besucher kennen sich jedoch gut aus, so wie ein älterer Mann, der regelmäßig mit Klappstuhl und Thermoskanne kommt: „Er stapft durchs Dickicht, setzt sich zu dem Baum seiner verstorbenen Frau und genießt mit ihr einen Kaffee“, erzählt Mikosch.
Naturverbundenheit und Trost
„Ein FriedWald bietet einfach mehr Möglichkeiten, die vielleicht auf einem konventionellen Friedhof etwas ungewöhnlich erscheinen“, sagt von Heimendahl. Diese Optionen berühre die Menschen. Oft seien sie überrascht, was alles erlaubt ist. „Nicht nur Naturliebhaber treffen die Entscheidung für eine Waldbestattung, manchmal ist es auch für die An- und Zugehörigen ein erstes Eintauchen in den Wald, wenn sie dem Verstorbenen den letzten Wunsch erfüllen“, führt Mikosch aus.
Die Schlichtheit des Waldes überzeuge viele Menschen. „Aber auch pragmatische Gründe führen zu einer Entscheidung für eine Waldbestattung, wie beispielsweise das Entfallen der Grabpflege“, sagt Mikosch. „Es bleibt oft noch eine Herausforderung, ein Grab zu pflegen“, ergänzt von Heimendahl. „Es ist ein schöner Gedanke, jederzeit ohne Pflichtgefühl die Erinnerungsstätte aufsuchen zu können und das auch noch viele Jahre nach dem Tod.“
Nicht nur für die Besuche der Grabstätten stehen viele Ausdrucksweisen offen, sondern auch für die Trauerfeiern. Diese können mit geistlichem Beistand, einem Trauerredner oder ganz unter sich abgehalten werden. „Mal finden Beisetzungen in kleinstem Kreis, mal mit über 100 Leuten statt. Die gesamte Zeremonie kann auch am Baum abgehalten werden“, so von Heimendahl. Für die Trauerfeier steht außerdem ein Andachtsplatz zur Verfügung, der Sitzgelegenheiten für rund 30 Menschen bietet. Vorne steht ein Holzpult, auf einem Stein daneben liegen Äste und Tannenzapfen – dort kann zur Zeremonie auch ein Foto aufgestellt werden und am Eingang steht ein Baumstamm für ein Kondolenzbuch.
Die Schönheit des Abschieds
Auch eine runde hölzerne Schutzhütte kann für die Trauerfeier genutzt werden. In der Mitte ist eine Abstellfläche für die Urne, ebenfalls geschmückt mit Blättern und Ästen. „Ich habe hier viele besondere Momente erlebt. Eine Familie brachte die Erbstücke, einige Gläser, in einem alten Lederkoffer mit – wie zu der letzten Reise. Am Grab wurde dann gemeinsam auf den Verstorbenen angestoßen“, erinnert sich Maren Mikosch. „Zu einer anderen Beisetzung kamen 70 Leute mit eigenen Musikinstrumenten und sind mit einem Bollerwagen zum Baum gezogen“, erzählt Mikosch.
Und Alexander von Heimendahl berichtet von einer Beisetzung eines jungen Mannes, der bei einem Motorradunfall verunglückt ist: „Seine Kameraden aus dem Motorrad-Club standen auf dem befestigten Weg zum Baum mit ihren Motorrädern Spalier. In die Graböffnung wurde dann ein Schluck des Lieblingsgetränks des Verstorbenen gegossen.“
Doch die Bäume müssen nicht erst im Trauerfall ausgesucht werden. „Die Vorsorge geschieht ohne Druck. Die Bäume können mit Familienmitgliedern, aber auch mit Freunden geteilt werden“, sagt von Heimendahl. „Dabei werden oft jüngere Bäume ausgewählt, die noch wachsen sollen. Auch eine Namenstafel am Baum ist dann bereits möglich. Manche schreiben beispielsweise ‚Freundschaftbaum‘ hinauf und die Namen werden erst im Todesfall ergänzt“, erzählt Maren Mikosch.
Die Namenstafeln sind eine weitere Besonderheit des FriedWald-Standorts: „Bestattungen können zwar ohne Namenstafel am Baum erfolgen, was einen Anschein von Anonymität gewährt. Doch im Verzeichnis ist jeder vergebene Baum mit Namen versehen. Auch nach Jahren kann der Beisetzungsort genau verortet werden – im Gegensatz zu anonymen Gräbern auf einem Friedhof“, so von Heimendahl.
Für jeden der passende Baum
Freie Bäume befinden sich vorrangig in Bereich sechs im FriedWald Hasbruch. Regionalleiter Alexander von Heimendahl empfiehlt Interessierten eine Waldführung und dann einen individuellen Baumauswahltermin. „Für jeden ist etwas dabei. Manchen ist es sehr wichtig, dass ihr Baum gut erreichbar oder zum Beispiel sichtbar von einer Bank ist. Andere wollen lieber einen Baum, der sich im Dickicht befindet und gar nicht so leicht zu finden ist. Da kommt schon mal Dschungel-Feeling auf“, erzählt Försterin Maren Mikosch.
Manchmal verändere sich die Wahl auch während eines solchen Termins: „Mal war zunächst ein Baum für ein bis zwei Personen gewünscht, doch schließlich wurde ein Familienbaum mit 15 Plätzen gefunden“, so Mikosch weiter. Auch allein kann man sich auf die Suche nach seinem Baum machen. Dafür informieren auf dem sogenannten Infopfad mehrere Tafeln über das Vorgehen und die Möglichkeiten im FriedWald. Sogar im Onlineshop ist es möglich, sich einen Baum auszusuchen, beispielsweise für Menschen, die nicht mehr mobil sind.
An einem Baum liegen pinke Blüten, die der Regionalleiter aufsammelt. Das ist ein weiterer Unterschied zum konventionellen Friedhof: Kein Grabschmuck. „Der Wald muss Wald bleiben und schmückt genug“, sagt Alexander von Heimendahl. „Und er schmückt so schön“, ergänzt Maren Mikosch: „Mit einem grünen Blätterdach im Frühjahr und Sommer. Und der Blick in die offenen Baumkronen hat im Herbst und Winter den Tag heller gemacht. So hat jede Jahreszeit ihre Besonderheit.“
Von Antonia Lühmann