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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Ein Wald der Erinnerung

Der Friedwald-Standort Bremer Schweiz

Eine Baumbestattung beginnt mit einer Trauerrede, die am Andachtsplatz oder direkt am Baum stattfindet. Die Angehörigen können mit Blumenschmuck oder anderen naturnahen Grabbeigaben Abschied nehmen. (Foto: FriedWald GmbH)

Bremen. Leichter Nieselregen, meist kahle Bäume, Namenstafeln klappern im Wind: Was zunächst etwas ungemütlich erscheint, erweist sich als angenehme Atmosphäre für eine letzte Ruhestätte. „Die positive und tröstende Wirkung der Natur und insbesondere von Wäldern ist wissenschaftlich belegt – ob bei Regen, Schnee oder wenn die Sonne durch die Baumkronen scheint“, erklärt Regionalbetreuer Marco Braun. Gemeinsam mit anderen Försterinnen und Förstern betreut er unter anderem den FriedWald in der Bremer Schweiz zwischen Osterholz-Scharmbeck und Schwanewede. Das rund 40 Hektar große Areal zeichnet sich vor allem durch ein abwechslungsreiches Waldbild aus: Hier stehen jüngere, zarte Birken, hochgewachsene Kiefern und alte Buchen mit dicken Stämmen, dazwischen finden sich Lärchen und sogar Wildobst.

Für alle eine passende Ruhestätte

Jeder Baum ist so individuell wie die Menschen: „Im Baum findet man sich wieder“, sagt Braun: Vielleicht ist dieser mit Efeu bedeckt, genau wie das Haus, in dem man aufgewachsen ist, oder ein besonders gewachsener Baumstamm erinnert einen an den verstorbenen Menschen. Ein Mann mit Vorliebe für große Fahrzeuge wollte beispielswiese einen Baum in einer bestimmten Ecke des FriedWaldes – in der Nähe fahren gelegentlich Militärfahrzeuge vorbei.

Bevor ein Baum jedoch in den Verkauf gehen kann, wird dieser fachkundig begutachtet. Schließlich muss dieser die nächsten 99 Jahre bestehen – zumindest ab Eröffnung des FriedWald-Standortes im Jahr 2011, so lange kann das Beisetzungsrecht erworben werden. Nur vitale Bäume werden dafür ausgewählt, erklärt der Regionalbetreuer. Im FriedWald in der Bremer Schweiz stehen drei verschiedende Baumgrabarten zur Auswahl. Interessierte können sich für einen ganzen Baum mit mindestens zwei Plätzen, einen Platz an einem gemeinschaftlich genutzten Baum oder für einen Basisplatz entscheiden. Die Zahl der verfügbaren Plätze unter einem Baum variiert je nach natürlichen Gegebenheiten, maximal sind 20 Plätze möglich. Der genau Standort eines Basisplatzes wird im Trauerfall von einer Försterin oder einem Förster zugewiesen.

Insgesamt befinden sich im FriedWald-Standort Bremer Schweiz 2550 Bestattungsbäume, einige davon sind noch frei. Nach und nach werden neue Bestattungsbäume ausgewählt. An einem Teich stehen zum Beispiel knorrige Eichen, diese wurden bereits aufgrund ihrer besonderen Lage reserviert. „Viele suchen sich zu Lebzeiten ihren Baum aus – oft einen mittelgroßen, dem man beim Wachsen zusehen kann“, erzählt Braun. Auch er hat sich schon einen Baum gesichert. „Viele wissen genau, wenn es der richtige Baum für sie ist und bauen eine gewisse Bindung zu ihm auf“, sagt der Regionalbetreuer.

Nicht nur bei der Auswahl des Baumes, auch beim Besuch der Gräber ist Kreativität gefragt. Traditioneller Grabschmuck störe das natürliche Waldbild und sei dazu oft mit Dünger oder Draht versehen, sagt Braun – das sei schädlich für die Wildtiere und deshalb nicht erlaubt. Ebenso wenig vorgesehen ist das Dekorieren der Bäume mit natürlichen Materialien aus dem Wald. Allein die Natur schmückt die Gräber im Wechsel der Jahreszeiten und auf Wunsch erinnern Namenstafeln an den Bäumen an die Verstorbenen.

Für den Besuch eines Grabes gebe es laut Marco Braun jedoch viele Alternativen: „Manche machen Musik, ein Picknick am Baum oder lesen ein Gedicht vor – sie fangen einfach den Moment ein.“ Er berichtet von einer Angehörigen, die regelmäßig einen kleinen Zweig vom Baum abschneidet und ihn zuhause in eine Vase stellt. Sobald dieser verwelkt, sei es wieder an der Zeit, dem Grab ihres Mannes einen Besuch abzustatten.

Einzig bei der Beisetzung sind Blumenschmuck und naturnahe Grabbeigaben erlaubt – etwa ein beschrifteter Stein oder Blüten. Auch die zuständige Försterin oder der zuständige Förster dekoriert die Graböffnung vorab mit dem, was die Natur zu der jeweiligen Jahreszeit bietet: Das können Buchenäste, Wildblumen oder Tannenzweige sein. Die Beisetzungen beginnen meist mit einer Trauerrede, die entweder am Andachtsplatz oder direkt am Baum stattfindet. Anschließend wird am Baum die biologisch abbaubare Urne abgesenkt und mit einer Baumscheibe abgedeckt. Die Försterin oder der Förster verbleibt im Anschluss an die Trauerfeier im Wald und verschließt die Graböffnung.

Die Bestattungen können nach persönlichen Vorlieben gestaltet werden. „Jede Beisetzung ist individuell und beeindruckend. Wir versuchen, alles möglich zu machen und setzen keine Grenzen“, so Braun. Beispielsweise gab es auf der Beisetzung einer Kneipenbesitzerin Live-Musik und Freibier. Bei einer anderen Bestattung mit rund 300 Gästen spielte jemand auf einer Klarinette und dazu blies der Wind durch die Wipfel: „Es war eine sehr angenehme Atmosphäre, die dort entstanden ist“, sagt Braun.

Von solch besonderen Momenten hört der Regionalbetreuer immer wieder, dass zum Beispiel Vögel während der Beisetzung anfangen zu zwitschern. „Bei der Beisetzung meiner Oma Mitte Januar hat es geschneit. Ich habe die Urne zur Graböffnung getragen und als ich die Baumscheibe auflegte, hörte es auf zu schneien. So etwas erlebt man nur in der Natur“, erzählt Marco Braun.

Vor kurzem wurde ein junger Mann verabschiedet, der acht Jahre zuvor seine Krebsdiagnose erhalten hatte. „Seine letzte Ruhe fand er unter einer zweistämmigen Birke, die er auch als Zeichen für seine Partnerschaft ausgewählt hatte“, erzählt der Regionalbetreuer. Die Schwester des Verstorbenen schrieb nach der Beisetzung einen Brief, wie tröstlich sie den Wald bei der Beisetzung empfunden hat – der Regen wasche die Tränen weg und trotz der Trauer habe der Wald etwas Schönes.

Baumbestattungen immer beliebter

Dieses Empfinden teilen viele Menschen – so gehe der Trend laut Marco Braun deutlich zu Natur- und Baumbestattungen, auch weil keine Grabpflege notwendig sei. Viele Interessierte besuchten die FriedWald-Führungen, die im Herbst und Winter alle vier, in der wärmeren Jahreszeit alle zwei Wochen stattfinden. Außerdem hätten Angehörige im Gegensatz zu Seebestattungen einen Bezugsort, so Braun. Die Fläche des FriedWald-Standortes in der Bremer Schweiz wird deshalb ausgeweitet – über 50 Prozent der gewidmeten Fläche sind bereits genutzt.

Auf dem ersten Abschnitt, der in den Verkauf ging, befindet sich ein großer Andachtsplatz mit einem Holzkreuz, das bei Bedarf entfernt werden kann. Der Platz ist umrahmt von alten, dicken Buchen, die im Sommer ein gemütliches Blätterdach darüber entstehen lassen. Neben den individuellen Beisetzungen findet dort einmal im Jahr ein Gottesdienst statt. Dieser richtet sich an alle Angehörigen, die in den zwölf Monaten zuvor jemanden im FriedWald verabschiedet haben oder sich dem FriedWald verbunden fühlen. Die Predigt beschäftigt sich mit dem Wald und dem Kreislauf des Lebens – dazu singt ein Chor. Letztes Mal waren rund 300 Teilnehmer anwesend. „Sie empfinden den Gottesdienst als sehr trostspendend“, sagt Marco Braun.

Von Antonia Lühmann