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Sozialarbeiter
Bremen
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Wandel der Beisetzungskultur

Mehr Individualität und Selbstbestimmung

Die Grabstätte in einem Bestattungswald wird oft noch zu Lebzeiten gemeinsam mit den Angehörigen ausgesucht. (Foto: DJD/Friedwald)

 

Bremen. Weniger Tradition, dafür mehr Individualität – und das über den Tod hinaus: Die Bestattungskultur befindet sich in einem Wandel, der von unterschiedlichen gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Faktoren beeinflusst wird. Alternative Beisetzungsarten wie Seebestattungen oder Naturbestattungen in einem Wald gewinnen zunehmend an Popularität, da diese weniger Pflegeaufwand erfordern und oft als persönlicher empfunden werden: „Generell beobachten wir einen Trend zur Individualisierung bei Beisetzungen und Trauerfeiern“, sagt Dr. Simon J. Walter, Kulturbeauftragter des Bundesverbandes Deutscher Bestatter.

Individualität gilt demnach als einer der treibenden Faktoren für die Entwicklungen der hiesigen Bestattungskultur. „Wenn wir als Gesellschaft Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Individualismus als Werte pflegen und hochhalten, ist es logisch, dass immer mehr Menschen auch alles rund ums Lebensende individuell zugeschnitten haben möchten“, so Walter.

Persönliche Vorlieben als Grund

Oft sprechen persönliche oder emotionale Präferenzen für eine alternative Beisetzungsart. Das Meer oder ein Wald können Orte sein, zu denen die oder der Verstorbene eine besondere Verbindung empfand, was diese Form der Beisetzung als besonders passend erscheinen lässt. Der Gedanke, nach dem Tod frei zu sein, wird dabei ebenfalls als Grund genannt und insbesondere die Seebestattung wird als Symbol für Freiheit und Unendlichkeit angesehen.

Ein prominentes Beispiel für eine Seebestattung ist Karl Dall, der am 23. November 2020 im Alter von 79 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb. „Karl Dall hat zu Lebzeiten bereits eine Seebestattung im engsten Familienkreis bestellt und bezahlt“, erklärte seine Managerin damals. Seine Asche wurde schließlich der Nordsee übergeben.

Auch Shannen Doherty, bekannt aus der US-amerikanischen TV-Serie „Beverly Hills, 90210“, teilte zu Lebzeiten ihre Vorstellungen über ihre Beisetzung. Sie verstarb am 13. Juli 2024 an den Folgen einer Krebserkrankung und sagte zuvor in ihrem Podcast: „Ich möchte, dass meine sterblichen Überreste mit denen meines Hundes und meines Vaters vermischt werden.“ Diese Asche sollte dann im kalifornischen Malibu verstreut werden, wo sie viel wertvolle Zeit mit ihrem Vater verbracht hatte. Außerdem begrüßte Doherty die Idee, ihre Überreste „in einen Baum wachsen zu lassen.“

Alternative Beisetzungen werden von vielen Menschen gewählt, die sich enge Verbindung zur Natur wünschen. „Waldbestattungen haben mittlerweile einen Anteil von ungefähr 20 Prozent“, sagt Markus Gebauer, Zweiter Vorsitzender des Bestatterverbandes Niedersachsen. In Zeiten wachsenden Umweltbewusstseins bestimmen also auch ökologische Überlegungen die Beisetzungsart: Formen wie die Waldbestattung, bei der kein Steinmaterial und keine dauerhafte Fläche beansprucht wird, werden deshalb weiterhin beliebter. Es gibt zudem einen Trend hin zu umweltfreundlichen Särgen, biologisch abbaubaren Urnen und ökologisch gestalteten Friedhöfen. Die traditionelle Erdbestattung im Sarg verliert in diesem Rahmen zunehmend an Bedeutung. „Auch die Entfremdung zur Kirche, egal welcher Konfession, spielt hier eine Rolle“, sagt Markus Gebauer.

Neben der Religion geht es aber auch um die Pflege und Kosten der Grabstellen. „Viele Angehörige wohnen nicht mehr in einem Ort, so dass die Grabpflege schwierig oder teuer ist. Auch hört man von vielen Vorsorgenden, dass sie mit der Grabpflege den Hinterbliebenen nicht zur Last fallen möchten“, erläutert Gebauer. So ist der Entfall der Grabpflege bei alternativen Beisetzungsarten ein praktischer Vorteil. „Regelmäßige Grabpflege entspricht häufig nicht mehr den Lebensentwürfen der heutigen Gesellschaft“, merkt Walter an.

Die Frage der Kosten ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Ein Faktor, der besonders im Nachhinein, also nach der Beisetzung, zur Entscheidung beiträgt. Manche alternativen Beisetzungsarten können kostengünstiger sein als traditionelle Erdbestattungen, da beispielsweise keine Kosten für Grabsteine oder die Grabstelle selbst anfallen. „Viele wollen nach ihrem Tod nicht zur finanziellen Belastung werden“, so Walter.

Wandel der Friedhofskultur

Grundlage der Veränderungen, die seit Jahrzehnten beobachtet werden können, ist die stete Zunahme der Feuerbestattungen. Heute werden bundesweit über 75 Prozent der Verstorbenen eingeäschert. Diese Zahl werde kurz- und mittelfristig wohl deutlich über 80 Prozent steigen, prognostiziert Walter. „Das stellt insbesondere die Friedhöfe vor Herausforderungen, denn immer mehr Menschen wünschen sich nicht mehr das klassische Erd- oder Reihengrab. Ich denke, wir werden noch mehr pflegefreie oder pflegearme Optionen auf den Friedhöfen bekommen – und die friedhofsnahen Gewerke werden den Menschen entsprechende Beratungen anbieten.“

Ein Umdenken der Friedhofsträger sei deshalb schon seit längerer Zeit im Gange, um die Wünsche der Hinterbliebenen zu erfüllen, ergänzt Gebauer. Beispielsweise gibt es Gemeinschafts- oder auch Themengrabfelder. Die Themengrabfelder sollen den Verstorbenen einen passenden Platz geben und gleichzeitig die Angehörigen von der Grabpflegeverpflichtung entlasten.

„Für die Themengrabfelder bestand entweder bereits zu Lebzeiten ein verbindendes Element, wie zum Beispiel die Begeisterung für einen Fußballverein, oder der Friedhof gibt ein Thema vor. Das kann eine bestimmte Bepflanzung sein oder eine Gestaltung mit bestimmten Skulpturen oder Kunstwerken. Dann entsteht die Verbindung durch die Beisetzung“, erklärt Walter. So wird ein Ort der Erinnerung geschaffen, jedoch ohne weitere Verpflichtungen für die Angehörigen. Die Flächen werden durch die Friedhofsverwaltung gestaltet und betreut, Blumen und kleine Schalen können am Grabfeld abgestellt werden.

Zunehmende Vorsorge

Mit dem wachsenden Wunsch nach Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen wird auch die Bestattungsvorsorge wichtiger. Immer mehr Menschen planen zu Lebzeiten ihre Bestattung selbst, um sicherzustellen, dass ihre Wünsche respektiert werden und um ihre Angehörigen zu entlasten. „Grundsätzlich ist es so, dass sich die Menschen heute deutlich mehr Gedanken rund um das Thema Bestattung machen als noch vor 20 oder 50 Jahren“, sagt Simon Walter.

„Das deutet auf eine starke Motivation hin, die Trauerfeier und Beisetzung so individuell, stimmig und authentisch wie möglich zu gestalten.“ Das beinhalte auch zum Beispiel Blumenwünsche, musikalische Darbietungen, besondere Dekoration und Traueranzeigen, so Markus Gebauer. „Und das Wichtigste ist die finanzielle Absicherung der Bestattung und die Entlastung der Hinterbliebenen.“ Eine schriftliche Verfügung oder auch mündliche Absprachen unterstützen die Angehörigen und vermeiden mitunter auch kontroverse Diskussionen – wie schon die erste Frage, ob Erd- oder Feuerbestattung gewünscht gewesen wäre. Schließlich befinden sich die Angehörigen plötzlich in einem Ausnahmezustand der Trauer – Vorsorge entlastet in einem ohnehin schlimmen Moment.

Individuelle Bestattungsrituale

Alternative Beisetzungsformen und personalisierte Trauerrituale werden weiter an Bedeutung gewinnen. „Persönliche Bestattungen berücksichtigen die Wünsche der Verstorbenen und die Bedürfnisse der Angehörigen“, sagt Walter. Dies könnte sich in personalisierten Trauerfeiern, kreativen Gedenkformen oder der Auswahl besonderer Beisetzungsorte ausdrücken. „Zu Lebzeiten legen wir viel Wert auf Individualismus und Selbstverwirklichung, das endet nicht mit dem Tod“, sagt Walter.

Von Antonia Lühmann