Dem Feuer übergeben
Blick auf das Krematorium und das neue Foyer. Der Garten lädt zum Verweilen und Erinnern ein. (Foto: Antonia Lühmann)
Bremen. Die Sonne scheint durch die Baumwipfel, bis auf Vogelgezwitscher ist es ruhig. Ein kurzer Spaziergang über den Verdener Waldfriedhof führt zu der Feuerbestattungsanlage Verden – ein zum Teil rot geklinkertes Gebäude mit Schornsteinen. Auf einer Seite ist das Ende 2022 eröffnete und lichtdurchflutete Foyer mit bodentiefen Fenstern zu sehen.
Dort können die Angehörigen in einem angemessenen Rahmen auf die Zeremonie der Einäscherung warten oder anschließend zusammenkommen. Das beruhigende Ambiente des Foyers mit Sitzgelegenheiten, eingebauter Teeküche und Blick in den Himmel werde sehr positiv aufgenommen, erzählt der Inhaber von Feuerbestattungen Verden, Willy Hilling: „Vor dem Bau des Foyers gab es ungefähr eine Termineinäscherung im Monat, mittlerweile sind es ein bis zwei täglich.“ Dabei kann durch eine Milchglasscheibe beobachtet werden, wie der Sarg in den Ofen eingefahren wird.
„Familien und Zugehörige können so der Übergabe des Sarges an das Element Feuer beiwohnen“, so Hilling und weiter: „Die Sorge, dass später fremde Asche in der Urne landet oder der Verstorbene gemeinsam mit anderen Menschen kremiert wird, wird den Trauernden so genommen.“ Um die Asche später zweifelsfrei zuordnen zu können, wird ein durch die Hitze im Ofen unzerstörbares Schamottesteinchen auf den Sarg gelegt. Darin ist die Einäscherungsnummer und der Name der Feuerbestattungsanlage geprägt. „Zwar bekommt jeder Verstorbene diese gesetzliche Nummer, aber unser Augenmerk liegt auf den Menschen in seiner Individualität“, betont Hilling.
Die Feuerbestattung bietet auch viele Möglichkeiten zur individuellen Abschiednahme. „Der Zeitgeist geht dahin, dass die Menschen ihrer Persönlichkeit auch nach dem Tod Ausdruck verleihen möchten. So nehmen sie die Trauerfeier selbst in die Hand und planen sie entsprechend“, sagt Willy Hilling.
Deshalb verfügt die Feuerbestattungsanlage Verden über einen Abschiednahmeraum, in dem – am offenen oder geschlossenen Sarg – der Verstorbene verabschiedet werden kann. „Diese Feier kann von den Angehörigen ganz persönlich gestaltet werden“, erklärt Willy Hilling.
Der Eingang des hell gestalteten Foyers. (Foto: Antonia Lühmann)
Es seien auch individuelle Rituale möglich. „Nach dem Tod des Inhabers eines Abschleppunternehmens wurde dessen Sarg mitsamt Bestattungsauto auf dem Abschleppwagen zur Feuerbestattungsanlage gebracht – inklusive Ehrenrunde durch Verden“, erinnert sich Hilling. Auch Särge vor der Einäscherung anzumalen sei eine Möglichkeit, der Trauer Ausdruck zu verleihen.
Mittlerweile sei die Einäscherung die vorherrschende Bestattungsart, sagt Hilling: „Vor 20 Jahren gab es hier 20 Prozent Feuerbestattungen und 80 Prozent Sargbestattungen, heute ist es genau umgekehrt. Auch bundesweit ist dieser Trend zu beobachten – 75 Prozent Urnenbestattungen stehen 25 Prozent Erdbestattungen gegenüber.“
Willy Hilling nennt mehre Gründe, warum sich die meisten Menschen für eine Einäscherung entscheiden: „Früher wurde man im Dorf geboren, fand dort Arbeit und die große Liebe und ist im Dorf gestorben. Heute sieht das anders aus, die Familien sind bundes- oder gar weltweit zerstreut.“ Außerdem sei es eine einfache und pflegeleichte Bestattungsart – ob See- oder Naturbestattung oder Urnenbestattung auf einem Friedhof. „Der Aufwand für die Hinterbliebenen ist gering bis gar nicht vorhanden“, erklärt Hilling.
Von Antonia Lühmann