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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Die Natürlichkeit der Trauer

Trauerbegleitungen und Selbsthilfegruppen als wichtiger Teil des Verarbeitungsprozesses

In einer entspannten Atmosphäre und einem geschützten Rahmen können sich Trauernde über ihre Gefühle, Sorgen und Gedanken austauschen. Foto: Freepik

Bremen. Auf den Verlust eines Menschen folgt die Trauer – in all ihren Facetten: „Der Schmerz, die starke Sehnsucht oder das Gefühl, sich immer weiter raus vom jetzigen Leben zu entfernen – bis hin zu körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen – all das darf sein, um den erfahrenen Verlust zu verarbeiten und wieder offen zu werden für Neues und das weitere Leben“, beschreibt Dr. phil. Carmen Birkholz, Vorsitzende des Bundesverbands Trauerbegleitung. Sich jemandem anzuvertrauen ist dafür oft ein guter Anfang. Trauerbegleitungen und Selbsthilfegruppen unterstützen dabei, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten – ob präventiv oder in akuter Notlage, nehmen diese Angebote einen wichtigen Bestandteil der Trauerbewältigung ein.

Der Verlust einer nahestehenden Person ist eine Erfahrung, die ein Leben lang prägt. Carmen Birkholz arbeitet mit verschiedenen Selbsthilfegruppen, unter anderem mit verwaisten Eltern. Regelmäßig treffen sich die Betroffenen: „An diesen Tagen wird an die Kinder gedacht, die sonst neben Bildern und Erinnerungen nicht mehr aktiv zum Alltag gehören. Und doch sind es keine todtraurigen Stunden, sondern eine Zeit voller Verbundenheit, die ein warmes Gefühl im Herzen hinterlässt, obwohl etwas von dem Schmerz immer erhalten bleibt“, so Birkholz. Auch der Abschied von älteren Menschen könne starke Prozesse der Trauer auslösen – zum Beispiel, wenn sie stark aneinander gebunden waren, vielleicht über die Hälfte ihres Lebens miteinander verbracht haben. Die Intensität und die Qualität der Verbindung zweier Menschen entscheide über die Stärke der Trauer.

Trauern in mehreren Etappen: Eine aktive Selbstheilung

Doch wie verläuft die Trauerbewältigung und welche Rolle nehmen dabei Trauerbegleitungen und Selbsthilfegruppen ein? Trauern sei ein Selbstheilungsprozess, beschreibt Birkholz: „Um den Verlust zu verarbeiten und zu dem jeder Mensch in der Lage ist. Er ist schmerzhaft, intensiv und man muss sich darauf einlassen – aber es gibt keinen anderen Weg.“ Unterschiedliche Trauermodelle beschreiben diesen Weg in Phasen, die laut Birkholz eher passiv wirken. William Wordens Modell dagegen besteht aus vier Aufgaben, die den Menschen aktiv durch die Trauer leiten. Nach der Akzeptanz des Verlusts als Realität, werden Gefühle und Verhaltensweisen durchlebt: „Trauer lässt sich nur durch Trauern bewältigen, nicht abkürzen. Dafür braucht man neben Raum und Zeit ein stabiles und unterstützendes soziales Umfeld. Ein stressiger Alltag kann die Trauer überdecken, das holt einen dann aber irgendwann wieder ein“, so Birkholz. Die dritte Aufgabe ist eine Art Zwischenwelt, in der noch kein neues Selbstverständnis besteht, aber die Erinnerungen an den geliebten Menschen weniger schmerzen und die Suche nach dem Leben danach beginnt. Die vierte Aufgabe besteht darin, diesen Prozess aktiv weiterzuführen, sich ein neues Leben aufzubauen, ohne die verstorbene Person zu vergessen. „Möglich sind eine neue Partnerschaft, ein neues Hobby, vielleicht ein Ortswechsel oder eine berufliche Veränderung. Es wird etwas geschaffen, das vorher noch nicht dagewesen ist“, erklärt Birkholz. Diese Phasen haben keine zeitliche Begrenzung, sie können Wochen, Monate oder Jahre andauern. Früher wurde die Trauer zeitlich begrenzt und erwartet, schnell damit fertig zu werden. „Diese Sichtweise ist zum Glück überholt. Denn die Trauer ist nie vollständig abgeschlossen, sie verwandelt sich von einem tiefsitzenden Verlust, geprägt von einer starken Sehnsucht in ein neues Bewusstsein. Auch quantitativ nimmt die Trauer ab, doch eine Narbe bleibt“, betont Birkholz. Für William Worden bedeutet Trauern, Beziehungen zu verwandeln. Als gelungenen Prozess sieht er es an, einen neuen Platz für das Verlorene zu finden und die Energie der Trauer in etwas Neues zu stecken. Das Ziel sollte sein, nicht mehr übermäßig zu leiden und das Leben weiterzuführen.

Trauerbegleitungen und Selbsthilfegruppen können helfen, dieses Ziel zu erreichen. Wenn der Mensch von der Trauer überfordert ist oder die Trauer überhandnimmt, können individuelle Trauerbegleitungen in Anspruch genommen werden. Ihre Rolle ist es, den Prozess zu unterstützen und in Resonanz zu gehen: „Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter bieten keine aktive Beratung, sie geben eher Raum – denn in der Trauer will viel ausgedrückt werden, Geschichten wollen erzählt und Gefühle gelebt werden. Trauerbegleiter müssen daher sensibel sein und einen Resonanzraum mit fachlicher Expertise bieten“, erzählt Carmen Birkholz. Die Expertise sei wichtig für die Prozessbegleitung, um die Gefühle und Gedanken einzuordnen und der Trauer einen Sinn zu geben.

Professionelle Unterstützung und ein stabiles soziales Umfeld

Neben Trauerbegleitungen bieten Selbsthilfegruppen einen geschützten Rahmen, um sich über Gefühle, Gedanken, Ängste und Sorgen auszutauschen. Das Wissen, nicht allein zu sein und dass es anderen Betroffenen ähnlich geht, unterstützt den Prozess der Trauerbewältigung. „Die Stärke von Selbsthilfegruppen ist, dass die Betroffenheit geteilt wird. Es kann aber durchaus eine Überwindung sein, die Auseinandersetzung zu suchen und sich der eigenen und anderen Geschichten zu stellen und sich zu öffnen“, so Birkholz. Eine weitere Stärke der Gruppen sei es, sich nicht erklären zu müssen – es herrsche ein gegenseitiges Verständnis für die Gefühle der anderen Betroffenen.

Außerdem ist für den Trauerprozess hilfreich, sozial eingebunden zu sein, das werde oft unterschätzt, sagt Birkholz: „In einem sicheren Umfeld muss der Trauerschmerz nicht ausgeklammert werden, der Betroffene muss nicht rein funktionieren.“ Menschen, die Trauernden nahestehen, rät Birkholz, sich mit Trauerbewältigung zu beschäftigen. Sie sollten außerdem wissen, dass es normal ist, wenn sich jemand zurückzieht, vielleicht auch noch nach Wochen, Monaten oder sogar Jahren. Zudem sollten sie einschätzen, wie viel Kraft sie für Unterstützung haben und ihre eigenen Grenzen und Kapazitäten kennen – schließlich kann es sein, mit aufwühlenden Geschichten und intensiven Gefühlen konfrontiert zu werden. Plattitüden wie „Du musst doch mal wieder nach vorne schauen“ seien da völlig fehl am Platz und ein Zeichen der Überforderung. Wenn Angehörige oder Freunde merken, dass die Person nicht aus ihrer Trauer herausfindet, rät Birkholz, gemeinsam nach Selbsthilfegruppen oder individueller Trauerbegleitung zu suchen. Der Blick von außen oder ein besorgtes „Ich möchte nicht, dass du krank wirst“ kann Objektivität schaffen und dazu beitragen, dass sich die betroffene Person professionelle Unterstützung sucht.

In nahezu jeder Stadt gibt es eine Reihe von Anlaufstellen, die Trauernde in diesem Prozess begleiten: Offene Trauercafés, feste Selbsthilfegruppen oder auch digitale Angebote. Einige Gruppen sind auf bestimmte Fälle eingestellt – so gibt es Trauerhilfen für Kinder und Jugendliche, Verwitwete sowie für Eltern, die ihr Kind vor, während oder nach der Geburt verloren haben.