Walter Jens

Walter Jens

* 08.05.1923 in Hamburg
† 09.06.2013 in Tübingen
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Beredtes Engagement - Zum Tode des streitbaren Intellektuellen Walter Jens

11.06.2013 um 09:45 Uhr von WESER-KURIER

(WESER-KURIER vom 11.6.2013)

 

VON HENDRIK WERNER

 

Bremen·Tübingen. Wenn ein engagierter und feinsinniger Mann verstummt, der zuvor im deutschen Geistesleben jahrzehntelang als „Redner der Republik“ galt, ist das nicht nur bedauerlich, sondern tragisch. Dies umso mehr, als Walter Jens, der jetzt im Alter von 90 Jahren gestorben ist, bereits Jahre vor seinem Tod schleichend seiner geschliffenen Sprache und seiner klugen Gedanken verlustig ging. Seine im Jahr 2006 öffentlich gemachte Demenz-Krankheit führte dazu, dass der Rhetorikprofessor und streitbare Intellektuelle zuletzt weder reden noch schreiben konnte.

 

Zuvor indes hatte der in Hamburg geborene Bankierssohn, der eigentlich Strafverteidiger oder Prediger werden wollte, exzessiv viel gesprochen und geschrieben: Ab 1947 entstanden Romane, Dramen, Hörspiele, Essays – und vor allem geisteswissenschaftliche Aufsätze. 1950 ging Walter Jens als Lehrbeauftragter an die Universität Tübingen, wo er den bislang bundesweit einzigen Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik aufbaute. Im Jahr 1950, als ihm mit dem Roman „Nein. Die Welt der Angeklagten“ der literarische Durchbruch gelang, nahm ihn die Schriftstellervereinigung „Gruppe 47“ in ihre illustren Reihen auf. Später übersetzte Jens die Evangelien des Neuen Testaments, lieferte eine zeitgemäße Nacherzählung der Odyssee, untersuchte den seiner Meinung nach vom Christentum unfair bewerteten „Fall Judas“ – und schuf mit „Statt eine Literaturgeschichte“ (1957) ein philologisches Standardwerk, das etliche Neuauflagen erlebte.

 

Jens, der sich als Moralist und Aufklärer, als Christ und Pazifist verstand, mischte sich gern und oft ein: In den 80er-Jahren wurden er und seine Frau Inge Galionsfiguren der Friedensbewegung. Das Paar hatte sich an Sitzblockaden vor dem US-Atomwaffendepot Mutlangen beteiligt. Als Walter Jens 1990 während des Golfkriegs zwei desertierte US-Soldaten in seinem Haus versteckte, wurde er wegen Beihilfe zur Fahnenflucht angeklagt. Doch derlei focht ihn nicht an. „J’accuse“ (Ich klage an), die Parole seiner in zahlreiche gesellschaftspolitische Interventionen gemündeten Zivilcourage, hatte er sich bei Emile Zola geliehen. Mut brauchte und zeigte er auch, als ihn die Berliner Akademie der Künste im Mai 1989 zum Präsidenten wählte: Trotz massiver Proteste führte Jens das Haus nach der Wiedervereinigung mit der Akademie der Künste der DDR zusammen.

 

Weniger Mut und Moral brachte Walter Jens freilich auf, als im Jahr 2003 seine Mitgliedschaft in der NSDAP öffentlich wurde. Erst dementierte er, dann redete er sich auf den Zeitgeist hinaus; erst verspätet fand – wie bei Günter Grass – eine Reflexion statt, die diesen Namen verdient. Auch in diesem Fall stieß der begnadete Redner Walter Jens an die Grenzen der Rhetorik.

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Walter Jens (4)

10.06.2013 um 15:16 Uhr von WESER-KURIER
Foto 4 für Walter Jens
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