Günter Schabowski

Günter Schabowski

* 04.01.1929 in Politiker
† 01.11.2015
Erstellt von
Angelegt am 04.11.2015
2.232 Besuche

Neueste Einträge (4)

Gedenkkerze

Sabine

Entzündet am 07.08.2021 um 19:30 Uhr

Schlaf gut.

Gedenkkerze

Sabine

Entzündet am 13.05.2021 um 11:30 Uhr

Danke

Traueranzeige

04.11.2015 um 16:01 Uhr von WESER-KURIER
Hier können Sie die Traueranzeige platzieren, andere Bilder hochladen oder freien Text verfassen.

Ein Satz fürs Geschichtsbuch

04.11.2015 um 16:00 Uhr von WESER-KURIER
Günter Schabowski verkündete 1989 die Öffnung der Grenze zwischen BRD und DDR. (dpa)
 

Schabowski gab die Antwort, nachdem er hektisch in Notizen geblättert hatte, die ihm der neue SED-Generalsekretär Egon Krenz nach einer ZK-Sitzung gegeben hatte, an der Schabowski selber gar nicht ganz teilgenommen hatte. Ihm entging dabei ein entscheidendes Detail: Die neue Regelung, die faktisch die Öffnung der Mauer bedeutete, aber in bürokratischen Sprachklauseln verpackt war, sollte erst ab 4 Uhr früh des folgenden Tages bekannt gegeben werden, damit die Grenzsoldaten der DDR an den Übergängen darauf vorbereitet werden konnten.

 So aber brach sich die Sensation schnell Bahn. Schon um 19.05 Uhr wertete die Nachrichtenagentur AP die Mitteilung in einer Eilmeldung als Öffnung der Grenze. Doch in den folgenden Stunden blieb die Nachrichtenlage noch unklar, bis Hanns Joachim Friedrichs in den ARD-Tagesthemen um 22.42 Uhr den Satz sagte, den alle in Ost und West verstanden: „Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind. Die Tore in der Mauer stehen weit offen.“ Jetzt erst setzte der Ansturm auf die Grenzübergänge in Ost-Berlin ein, und gegen 23.30 Uhr ließ Oberstleutnant Harald Jäger an der Bornholmer Brücke als erster die Schlagbäume öffnen – eigenmächtig, denn es lagen ja noch keine neuen Befehle vor.

 

Wahrscheinlich hätte sich die Geschichte nicht viel anders entwickelt, wenn die Grenzöffnung erst am kommenden Morgen etwas besser vorbereitet vollzogen worden wäre. Auch dann wären die DDR-Behörden wohl nicht mehr in der Lage gewesen, die Menschenmengen an den Übergängen besser unter Kontrolle zu bringen. Zumindest Krenz ist auch klar gewesen, welche Brisanz in dem Beschluss der SED-Führung steckte. „Du musst unbedingt über den Reisebeschluss informieren. Das ist die Weltnachricht“, gab er Schabowski vor der Pressekonferenz mit auf den Weg.

 

Der allerdings redete erst einmal eine ganze Stunde über alle möglichen Beschlüsse, mit denen die SED-Führung die DDR in letzter Minute noch reformieren wollte. Erst die Frage eines italienischen Journalisten nach dem Reisegesetz brachte das Thema auf – und die folgende Frage des damaligen „Bild“-Reporters Peter Brinkmann nach dem Zeitpunkt führte zu den sensationellen Meldungen.

 

Es gibt um die Entwicklungen an diesem historischen Abend zahlreiche Legenden. So behauptete Schabowskis Ehefrau Irina im vergangenen Jahr, ihr Mann habe genau gewusst, was er mit seiner Mitteilung auslösen würde. „Er wollte, dass die Mauer sofort geöffnet wird.“ Und er sei noch am Abend selber an die Bornholmer Straße gefahren, um sich das Schauspiel anzusehen. Er selber hat jene Stunden in seinen Erinnerungen ganz anders beschrieben: „Nach der Pressekonferenz bin ich zurück ins ZK gefahren, habe meine Tasche genommen und bin nach Hause nach Wandlitz gefahren. Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, dass alles so verlaufen würde, wie beschlossen, also die Bürokratie funktioniert, die Grenzöffnung wird ab 10. November wirksam. Dass diese Bürokratie nicht funktionieren konnte, kam mir überhaupt nicht in den Sinn.“

 

Es spricht auch wenig dafür, dass Schabowski die Ereignisse, die zum Ende der DDR führten, beschleunigen wollte. Er gehörte zu der Gruppe um den neuen Parteichef Krenz, die nur so viel reformieren wollte, wie nach ihrer Meinung zum Machterhalt unbedingt nötig war. Als Chefredakteur des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ von 1978 bis 1985 zählte er zuvor zum engsten Führungskreis um Erich Honecker. Anschließend wurde er Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung für Ost-Berlin, eine der wichtigsten Positionen der Partei.

 

1997 wurde er mit anderen wegen seiner Mitverantwortung für den Schießbefehl an der Mauer zu drei Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt, von denen er ein Jahr absitzen musste. Als einer von wenigen verantwortlichen SED-Funktionären hat er damals seine moralische Mitschuld öffentlich bekannt: „Als einstiger Anhänger und Protagonist dieser Weltanschauung empfinde ich Schuld und Schmach bei dem Gedanken an die an der Mauer Getöteten. Ich bitte die Angehörigen der Opfer um Verzeihung.“ 2009 erschien ein Buch von ihm unter dem Titel: „Wir haben fast alles falsch gemacht“.

 

Am Sonntag ist Günter Schabowski im Alter von 86 Jahren in einem Berliner Pflegeheim gestorben.