Hildegard Hamm-Brücher

Hildegard Hamm-Brücher

* 11.05.1921 in Politikerin
† 07.12.2016
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Angelegt am 12.12.2016
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Trauer um streitbare Liberale Hildegard Hamm-Brücher

12.12.2016 um 08:45 Uhr von WESER-KURIER
ZDF Talkshow Maybrit Illner in Berlin © HILGEMANN,GEORG, action press
Die überzeugte Liberale und frühere FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher wurde 95 Jahre alt. (HILGEMANN,GEORG, action press)

 

Hamm-Brücher war eine der letzten Politiker, die Judenverfolgung und Nazi-Diktatur noch selbst erfahren hatten. Ihre Großmutter war Jüdin und nahm sich das Leben, um der Verschleppung in ein Konzentrationslager zu entgehen. Bis Kriegsende wurde Hamm-Brücher als „Mischling ersten Grades“ von ihrem Doktorvater vor der Verfolgung durch die Nazis geschützt. Nach 1945 promovierte sie in Chemie und wurde Wissenschaftsredakteurin der „Neuen Zeitung“. 1948 wurde sie für die FDP in den Münchener Stadtrat gewählt – mit 27 Jahren. Zwei Jahre später kam sie in den Landtag, wo sie der CSU mit ihrem betont engagierten und liberalen bildungspolitischen Ansatz zu schaffen machte. Die von ihr maßgeblich initiierten Volksbegehren für die christliche Gemeinschaftsschule und die Rundfunkfreiheit in Bayern sind auch heute noch unvergessen.

 

Neid schlug ihr auch aus den eigenen Reihen entgegen. So wurde sie bei der Landtagswahl 1962 auf den normalerweise aussichtslosen Listenplatz 17 verbannt, jedoch auf Platz eins vorgewählt. Ein Jahr später kam sie in den FDP-Bundesvorstand, von 1972 bis 1976 als stellvertretende Vorsitzende. Regierungsverantwortung übernahm die geborene Essenerin und zweifache Mutter erstmals 1967 als Staatssekretärin im hessischen Kultusministerium. 1969 wechselte sie als Staatssekretärin ins Bundesbildungsministerium. Nach der Bundestagswahl 1976 berief sie Hans-Dietrich Genscher als Staatsministerin ins Auswärtige Amt. 1982 wollte Hamm-Brücher den Wechsel zu Schwarz-Gelb nicht mitmachen – sie schied aus der Bundesregierung aus und wurde einfache Abgeordnete. Der Kurswechsel ihrer Partei trage den Beigeschmack des „verletzten demokratischen Anstands“, sagte sie.

 

Zwölf Jahre später wurde Hamm-Brücher für das höchste Amt im Staat nominiert, musste jedoch im dritten Wahlgang aus Gründen der Koalitionsräson dem Unionskandidaten Roman Herzog als Bundespräsidenten den Vortritt lassen. Danach bröckelte das Verhältnis der streitbaren Liberalen zu ihrer Partei zusehends. 1998 trat sie aus der bayerischen FDP aus, weil diese mit einer Koalitionsaussage zugunsten der CSU in den Landtagswahlkampf ging.

 

2002 gab sie auch die „bundesunmittelbare Mitgliedschaft“ ab, weil sich die FDP aus ihrer Sicht zu sehr vom rechtspopulistischen Gedankengut des damaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden Jürgen Möllemann beeinflussen ließ. Die FDP, schimpfte sie damals, sei „zur rechten Spaßpartei“ und zu einer reinen „Steuersenkungspartei“ geworden. 2009 saß sie für die hessischen Grünen in der Bundesversammlung und stimmte für Joachim Gauck und nicht für den Unionskandidaten Christian Wulff.

 

In den letzten Jahren äußerte sich Hildegard Hamm-Brücher als „freischaffende Liberale“ zu politischen Fragen, auch zur FDP. Es zeichnete sich eine gewisse Wiederannäherung ab. Parteichef Christian Lindner schrieb ihr mehrfach, und die „Grande Dame“ fand auch lobende Worte für den jungen FDP-Chef. „Wir behalten sie als unabhängigen Geist und leidenschaftliche Liberale in Erinnerung“, sagte der bayerische FDP-Vorsitzende Albert Duin zu ihrem Tod.

 

Das Bemühen, totalitäre Entwicklungen in Deutschland nie wieder zum Zuge kommen zu lassen, prägte auch das Engagement Hamm-Brüchers außerhalb der Parteipolitik. 1964 wurde auch auf ihre Initiative hin die überparteiliche Theodor-Heuss-Stiftung gegründet. Seit 2009 wird der „Hamm-Brücher-Förderpreis für Demokratie“ verliehen. Außerdem stiftete sie den „Münchner Bürgerpreis gegen Vergessen – für Demokratie“.

 

Respekt äußerte auch die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), die Hamm-Brücher noch aus gemeinsamen Zeiten im Landesparlament kennt. Mit Hamm-Brücher, so Stamm, „verlieren wir eine engagierte Kämpferin für den Parlamentarismus und eine starke, wehrhafte Demokratie. Sie war eine beeindruckende Persönlichkeit und Politikerin, die unsere freiheitliche Demokratie von Anfang an maßgeblich mitgeprägt hat“.

 

Befragt, welche Politikerin von heute sie am meisten an die Politikerin Hamm-Brücher erinnert, nannte sie vor einigen Jahren eine Grüne: „Claudia Roth. Die ist mutig und lässt sich nicht kleinkriegen.“ Sie habe keine Angst vor dem Ende, erklärte sie an ihrem 90. Geburtstag: „Ich bin eine fröhliche Christin“.

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12.12.2016 um 08:45 Uhr von WESER-KURIER
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