Siegfried Lenz

Siegfried Lenz

* 17.03.1926 in dt. Schriftsteller
† 07.10.2014 in dt. Schriftsteller
Erstellt von WESER-KURIER Familienportale
Angelegt am 08.10.2014
2.227 Besuche

Neueste Einträge (4)

08.10.2014 um 09:26 Uhr von WESER-KURIER
Foto 1 für Siegfried Lenz

Traueranzeige

08.10.2014 um 09:12 Uhr von WESER-KURIER
Hier können Sie die Traueranzeige platzieren, andere Bilder hochladen oder freien Text verfassen.

Gedenkkerze

Trauer & Gedenken

Entzündet am 08.10.2014 um 09:12 Uhr

Der Erzähler Siegfried Lenz ist im Alter von 88 Jahren gestorben

08.10.2014 um 09:12 Uhr von WESER-KURIER

Heimatdichter im besten Sinne
Von Hendrik Werner (www.weser-kurier.de vom 8.10.2014)

Bremen. Mit dem Roman „Deutschstunde“ konnte der Schriftsteller Siegfried Lenz im Jahr 1968 einen veritablen Welterfolg landen. Jetzt ist dieser große Chronist der Bundesrepublik Deutschland im Alter von 88 Jahren gestorben. Der gebürtige Ostpreuße, der kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Dänemark desertiert hatte und sich nach 1945 in Hamburg niederließ, setzte sich in klugen Beiträgen für die Versöhnung mit Polen und Israel ein.

Eine sinnige Koinzidenz erlaubte es noch im Februar dieses Jahres, ein kleines Hohelied auf große Heimatliteratur im besten Sinne anzustimmen: Am 24. des besagten Monats zeigte das ZDF den anrührenden Spielfilm „Die Flut ist pünktlich“ – mit August Zirner als lebensmüdem Arzt, nach einer aus dem Jahr 1953 stammenden Kurzgeschichte von Siegfried Lenz. Der Ausstrahlungstermin fiel zufällig und symbolträchtig gleichermaßen mit jenem Tag zusammen, an dem sich der Tod des bedeutenden mecklenburgischen Romanciers Uwe Johnson zum 30. Mal jährte.

Nun ist auch Siegfried Lenz dem erlesenen Club der toten Heimatdichter beigetreten. Wie sonst wohl nur der Geschichtensammler Walter Kempowski („Deutsche Chronik“) glückte es diesem auf historische Rekonstruktion und vor allem Versöhnung erpichten Mann, in seiner spröden und doch kunstvollen Prosa einen dauerhaften Dialog mit den Toten anzustimmen. Wie sonst allenfalls Uwe Johnson („Jahrestage“) gelang es diesem rührigen Geist in seiner bis ins hohe Alter geschmeidigen Textproduktion virtuos, die dramatische norddeutsche Landschaft (und die bisweilen nicht minder dramatische norddeutsche Witterung) als Spiegel des Seelenzustands seiner Figuren vorzuführen. Deshalb spielen in vielen Lenz-Erzählungen eigentlich nicht die Figuren die Hauptrolle, sondern die Küste – mit weitem Horizont und in der Regel rauer See.

Jene aus Backstein und Wattenmeer gewobenen Erinnerungsorte, denen Lenz literarische Denkmäler setzte, sind als Bewahrensstrategie kaum weniger anrührend als Marcel Prousts nostalgisch aufgeladene Beschreibungen der Architektur von Combray. Es ist die unstillbare Sehnsucht nach Herkunft, die diesen Heimatdichter angetrieben hat, verlorene Zeit zu suchen. Diese Motivation schreibt sich von einem früh erlittenen Verlust her: jenem der Welt, in der er aufgewachsen war. Lenz wurde in Lyck geboren, einer Kleinstadt im masurischen Ostpreußen. Atmosphärisch dicht hat er dessen Landschaft und Leute in dem 1955 erschienenen Erzählband „So zärtlich war Suleyken“ beschrieben, der mit einer Auflage von 1,6 Millionen Auflage zu einem seiner erfolgreichsten Bücher avancierte.

Sein erzwungener Bruch mit der damals deutschen Region seiner Herkunft trug sich wie bei vielen Menschen seiner Generation zu, als Siegfried gerade mal 17 Lenze zählte: 1943 ging er zur deutschen Kriegsmarine, desertierte 1945 – und kam als Gefangener der Engländer nach Schleswig-Holstein. Dass er Dokumenten zufolge noch 1944 in die NSDAP eingetreten sein soll, hat er stets bestritten. Einzig die ohne sein Wissen erfolgte parteipolitische Einvernahme durch eine verfügte Sammelmitgliedschaft hat Lenz für möglich erachtet. Man möchte ihm glauben. Auch wenn die ideologische Wandellust der Flakhelfer-Generation, also der Jahrgänge 1926 (Lenz) und 1927 (Günter Grass) ein Phänomen ist, das die deutsche Literaturgeschichtsschreibung noch jahrelang beschäftigen dürfte.

Immerhin: Lenz, der nach dem Krieg als „Welt“-Feuilletonredakteur arbeitete und 1951 mit dem Roman „Es waren Habichte in der Luft“ debütierte, hat sich mit einer lastenden Vergangenheit, die nicht vergehen will, eingängig beschäftigt. Auch in seinem erfolgreichsten Buch, dem in etliche Sprachen übersetzten, von Peter Beauvais verfilmten Roman „Deutschstunde“, der bezeichnenderweise das nationalsozialistische Regime mit einem falsch verstandenen Pflicht- und Ehrbegriff errechnet.

Neben solchen (auto)biografischen Bewältigungsstrategien hat Lenz auch zahlreiche Zeugnisse seines gewitzten Humors abgeliefert. Zu großer Form lief er dabei zumal in der kleinen Form auf – unter anderem in Werken wie „Lehmanns Erzählungen“ (1964) und „Die Maske“ (2011), seinem letzten Erzählungsband. Alle, die ihm jetzt nachrufen, würdigen neben Lenz‘ literarischen Verdiensten seine klugen Beiträge zur Aussöhnung mit Polen und Israel.