Henning Voscherau

Henning Voscherau

* 13.08.1941 in Politiker
† 23.08.2016
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Angelegt am 25.08.2016
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Der konservative Sozialdemokrat

25.08.2016 um 07:00 Uhr von WESER-KURIER

 

Von Markus Lorenz 25.08.2016

Henning Voscherau gestorben © Markus Scholz, dpa
Der Prototyp des Hanseaten: Henning Voscherau im Hamburger Rathaus vor seinem eigenen Porträt. (Markus Scholz, dpa)

 

Tatsächlich zeugte die Art, wie sich der Politiker mit 56 Jahren zurückzog, mehr von Geradlinigkeit denn von Hochmut. Der konservative Sozialdemokrat wollte und konnte sich ein Regieren mit den aufmüpfigen Grün-Alternativen nicht vorstellen – ganz wie sein Vorbild Helmut Schmidt. Und irgendwie, so räumen Hanse-Genossen heute ein, hatte der Henning mit der finsteren Prognose sogar Recht. Ortwin Runde übernahm die Macht, paktierte mit den Alternativen – und verspielte 2001 die rote Senatsherrschaft nach 44 Jahren.

 

Im Rückblick gilt die knapp zehnjährige Ära Voscherau auch neutralen Beobachtern als eine der besseren in der Hamburger Nachkriegsgeschichte. Nicht wenige sehen den Verstorbenen als „großen Bürgermeister“. Anders als seinem Vorgänger Klaus von Dohnanyi gelang dem gewieften Taktiker Ende der 1980er-Jahre die Befriedung der Auseinandersetzungen um die Hafenstraßen-Häuser. Voscherau schuf auch die Basis für das wichtigste Stadtentwicklungsprojekt seit Kriegsende. „Er ist der Vater der Hafencity“, konstatiert der jetzige Bürgermeister Olaf Scholz. Er würdigte Voscherau am Mittwoch als „ernsthaften Stadtmanager, sorgenden Landesvater, Wertkonservativen und Sozialdemokraten, charmanten Gastgeber und ideenreichen, geschliffen formulierenden Intellektuellen“.

 

Auf der Habenseite stehen zudem die Airbusansiedlung, die Erweiterung des Hamburger Flughafens nach dem Aus für den Großairport Kaltenkirchen sowie die Elbvertiefung 1999/2000. Nicht zufällig umfasst die Aufzählung vor allem wirtschaftspolitische Errungenschaften. Voscherau sah seine Aufgabe vor allem in der Stärkung von Handel, Industrie und Verkehr. Gesellschaftliche Reformvisionen waren ihm suspekt. „Kein spielerischer Umgang mit den Grundfunktionen der Stadt“, lautete seine oft zitierte Mahnung an die Enkel Willy Brandts. Voscherau sah sich als Enkel Helmut Schmidts.

 

Das Verhältnis des Hanseaten zu den Regenten in Schleswig-Holstein war konfliktreich. Mit der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) verband ihn eine tiefe persönliche Abneigung. Die mögliche Ablehnung der Elbvertiefung durch den Nachbarn nannte der Nordstaat-Fan eine „Kriegserklärung“. Später räsonierte er über eine Eingemeindung von Speckgürtel-Kommunen nach Hamburg.

 

Als „geborenen Sozi“ bezeichnete sich Voscherau gern und verwies stolz auf einen Großvater als Hafenarbeiter und seine Eltern, denen die Nazis wegen sozialdemokratischer Gesinnung Arbeitsverbot erteilten. Für viele Bürger war er Prototyp eines hanseatischen Bürgermeisters – äußerlich wie innerlich. Sachlich und doch blitzgescheit, distanziert und doch volksnah, ein weltläufiger Plattschnacker mit Prinz-Heinrich-Mütze.

 

Seine Popularität stützte sich auf familiäre Wurzeln. Onkel Walter Scherau war ein bekannter Ohnsorg-Schauspieler. Mit Heidi Kabel war Voscherau eng befreundet, zum 85. des Ohnsorg-Idols sang er im Duett „Ick heff mol en Hamburger Veermaster sehn“. 2010 hielt der begnadete Rhetoriker im Michel eine anrührende Trauerrede auf die Volksschauspielerin, ebenso wie im selben Jahr auf Loki Schmidt. Zu solchen Anlässen formulierte der Jurist nicht nur gewohnt gestochen scharf, sondern auch emotional treffsicher wie kein Zweiter. Als der verstorbene Helmut Schmidt im vorigen Herbst mit einem Staatsakt im Michel geehrt wurde, fehlte der erkrankte Henning Voscherau bereits als Trauerredner. Auch mit dem Altkanzler hatte den gebürtigen Hamburger eine lange Freundschaft verbunden. Voscherau gehörte zur illustren „Freitagsgesellschaft“, zu der Ehepaar Schmidt handverlesene Politiker, Intellektuelle, Wissenschaftler und Künstler in ihr Langenhorner Privathaus einlud. Er habe bis zuletzt „ein bisschen“ zu Helmut Schmidt aufgeschaut, gestand Voscherau 2012 in einem Interview.

 

Nach seinem politischen Rückzug arbeitete er wieder in seiner eigenen Kanzlei als Notar, blieb auch bundesweit wahrnehmbar. Er schlichtete Tarifkonflikte und übernahm den Vorsitz der Mindestlohn-Kommission der Bundesregierung. An der Hamburger Landespolitik blieb der Altbürgermeister aktiv interessiert, mischte bisweilen hinter den Kulissen an parteiinternen Entscheidungen mit. 2007 liebäugelte Voscherau sogar mit einem Comeback. Als Hamburgs SPD nach der Stimmzettel-Affäre im Skandalsumpf versank, bot sich er sich als Retter an. Die Genossen winkten ab. Ohne Poltern zog sich Voscherau zurück, er hatte verstanden. Seine Zeit war vorüber.

 
„Er ist der Vater der Hafencity.“ Bürgermeister Olaf Scholz
„Meiner Heimatstadt wünsche ich Glück, sie wird es brauchen.“ Henning Voscherau

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25.08.2016 um 07:00 Uhr von WESER-KURIER
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